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Interview mit Walter Glechner


„Da liegen ja Welten dazwischen!“

„Bubi“ haben sie Walter Glechner (*12. Februar 1939) genannt. Dabei ist der Abwehr-Chef, der Rapids Defensive elf Saisonen lang organisierte, der Inbegriff eines gestandenen Mannsbildes. Beim SCR fand Glechner seine sportliche Heimat, war – von der Knaben-Mannschaft weg – über 20 Jahre in Hütteldorf tätig. Viermal wurde der robuste Libero in den Sechzigern Meister, dreimal Cupsieger. Als unantastbarer Abwehr-Chef war er der direkte Nachfolger von Ernst Happel und der Vorgänger von Peter Persidis und Heribert Weber. 257 Meisterschafts-Spiele lang versuchte Glechner, die Grünweißen vor Gegentreffern zu bewahren. Dann wurde er nicht mehr in Hütteldorf gebraucht und wenig ehrenvoll verabschiedet. Drei Saisonen hängte der 35fache Team-Spieler noch bei Admira Wr. Neustadt an, ehe er seine großartige Karriere in Krems ausklingen ließ.

An der Ecke Keisslergasse – Bahnhofstraße liegt der „Peschta“, ein uriges Wirtshaus, das im Laufe der Jahrzehnte schon viele Rapid-Stars verköstigt hat und auch heute noch von vielen Legenden und Fans besucht wird. Ebendort treffe ich Walter Glechner, weil das Goleador eine undefinierbare Pause einlegt. Im Lokal selbst drängen sich Wein und Bier eigentlich auf, wir bleiben aber bei Kaffee und einem Obi g’spritzt. Um nicht zu gesund über die Vergangenheit zu sprechen, rauchen wir die eine oder andere Zigarette. Immer wieder wird Walter Glechner von Gästen erkannt und erfreut begrüßt. Ich selbst werde mit seinem spitzbübischen Lächeln und Erinnerungen aus einer anderen Zeit beschenkt. Und ich erlebe eine Interview-Premiere – für Herrn Glechner ist Rapid Vergangenheit, eine schöne zwar, aber Vergangenheit. Umso mehr bedanke ich mich für das schöne Gespräch und habe auf dem Weg zu meinem Auto das Gefühl, neben meinem (Groß-)Vater zu gehen. Dass er die Hütteldorfer jetzt mehr ignoriert als beachtet, nehme ich nicht nur zur Kenntnis, sondern respektiere diese Haltung voll und ganz. Nicht zuletzt deswegen, weil man ihm übel mitgespielt hat.

Sie kamen mit zehn Jahren zu Rapid, wohnten ganz in der Nähe der Pfarrwiese. Wie sind Sie zu den Hütteldorfern gekommen?
Ich habe immer beim Training zugeschaut. Die Erste hat ja immer nur am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag trainiert. Als ich einmal hingegangen bin, sind da viele Buben herumgelaufen. Das waren die Nachwuchs-Mannschaften. Am nächsten Montag bin ich dann wieder gekommen, und da sind dann cirka hundert Buben herumgesessen und ein Trainer hat sie aussortiert. Der „Zapferl“ Wagner hat zwei Mannschaften gebildet mit 22 Spielern, und der Rest hat nachhause gehen müssen. Der eine hat spielen dürfen und dem anderen ist halt gesagt worden, dass er nicht mehr zu kommen braucht. Ich war dann auch einmal dabei. In der Trainings-Mannschaft war ich damals der Jüngste, manche waren bis zu vier Jahre älter als ich. Dann ist das unterteilt worden in Knaben, Schüler und Jugend. Das war dann auch der Werdegang, den ich durchlaufen habe. Man musste schon ein Patzen-Glück haben, um da mit von der Partie zu sein!

In der Knaben-Mannschaft kamen Sie noch überall zum Einsatz, bei den Junioren platzierten Sie sich dann schon im Abwehr-Zentrum. Zog es Sie selbst auf diese Position oder war das ein Wunsch der Trainer?
Damals gab es ja noch zwei Verteidiger, drei Verbinder und fünf Stürmer. Je älter ich geworden bin, desto mehr hat sich herauskristallisiert, dass ich ein Stopper bin. Dort war ich einfach am wertvollsten. Es ist halt eine Frage der Qualitäten. Als Stürmer musst du mit dem Ball etwas anfangen können, bei mir war wichtig, dass der Ball wegkommt! Ein Angreifer muss den Ball bändigen, stoppen, den Gegenspieler überspielen und den Weg zum Tor suchen. Das ist eine ganz andere Arbeitsweise als bei einem Verteidiger, der vor allem ausputzen muss.

War der Fussball in einem Verein eine willkommene Abwechslung zur Armut der Nachkriegszeit?
Ja, auch. Aber Rapid war schon überhaupt etwas Spezielles. Es hat ja andere Vereine auch gegeben in dieser Gegend, den Hütteldorfer AC, Ober St. Veit und wie sie alle geheißen haben. Die wollten uns einreden, dass wir von Rapid zu ihnen kommen sollen, weil wir dort ganz sicher gespielt hätten. Bei uns war es so, dass wir in jeder Alters-Klasse zwei Jahre lang gespielt haben. Wenn es dann weiter hinauf gegangen ist, war halt immer die Frage, ob es von der Qualität her für die „Erste“ oder nur die Reserve reicht. Viele, die es nicht geschafft haben, sind dann von Rapid weggegangen. Aber wie gesagt – ich habe eigentlich immer Glück gehabt. 1957 bin ich in die Reserve gekommen. Damals war der Happel vor mir. Wenn der damals jung gewesen wäre, hätte ich ja keine Chance gehabt. Abgesehen davon, dass er schon über 30 war, ist er auf mich ein bisserl gestanden. Und „eines schönen Tages“ hat es geheißen, dass der Happel verletzt ist und ich spiele. Das war ein Spiel in Krems (1959/3:1-Sieg Rapids, Anm.), und dort war wichtig, dass wir gewinnen, ich gut spiele und keine Verletzung daherkommt. Weil wenn man als junger Spieler einmal wieder draußen war, ist man nur mehr sehr, sehr schwer hineingekommen. Wir haben jedenfalls bei meinem Debüt gewonnen, auch die nächsten Spiele waren wir erfolgreich und ich habe ganz gut gespielt. Das war die Saison, in der der Sportclub zum letzten Mal Meister geworden ist. Danach habe ich bei einer Südamerika-Tournee alle 17 Matches gespielt. Damals hatte ich trotz meiner jungen Jahre schon meinen Stammplatz. Der Happel war da schon als Sektions-Leiter tätig. Und in der Saison darauf sind wir auch noch Meister geworden. In die Nationalmannschaft bin ich auch sehr rasch hineingekommen, wir haben auch dort die ersten drei Spiele gewonnen. Dass ich in dieser Zeit nie eine Verletzung hatte, war Goldes wert.

Sie hatten 17 Spiele bei dieser Südamerika-Tournee? Das ist ja heute unvorstellbar!
Ja, wir waren zwei Monate unterwegs. Ich war insgesamt fünfmal drüben. Damals, beim ersten Mal, hat es in New York begonnen. Eigentlich war nur eine Zwischenlandung geplant, aber unser Manager war ein ziemlicher Fuchs, der gleich etwas organisiert hat, obwohl die ja damals gar keinen Fußballplatz dort hatten. Es waren sehr viele Auslands-Österreicher und Italiener dort. Wir haben dann gegen Napoli gespielt und es hat eine richtige Patzen-Stimmung geherrscht. Nach zwei Matches in den USA sind wir weiter nach Costa Rica, Venezuela, Ecuador, Kolumbien undsoweiter gefahren. Danach ist es nach Kanada gegangen, und dann wieder zurück nach New York. Wir wollten eigentlich nur mehr nachhause, aber als wir dort angekommen sind, mussten wir noch gegen Palermo spielen. Damals hat uns der Hanappi, der Kapitän war, 40 Dollar für so ein Spiel in die Hand gedrückt. Das waren keine Unsummen, aber ein sehr schönes Geld für damalige Verhältnisse und einen jungen Spieler wie mich. Und ein Erlebnis war es sowieso!

Das klingt ja nach dem geschmiertesten Karrierestart, den man sich vorstellen kann.
Na ja, ganz so war es nicht. Vor der Tournee bin ich schon eingerückt. Dann habe ich über das Ministerium Sonder-Urlaub bekommen. Zwei Tage vor der Abreise hat mir der Kompanie-Kommandant in der Trost-Kaserne Bescheid gegeben, dass ich wegfahren kann. Allerdings – das war die Auflage – nur dann, wenn ich mich auf zwölf Monate verpflichte. Ich habe mich dann bei einem guten Bekannten in der Stifts-Kaserne gemeldet, der mir geraten hat, zu unterschreiben. Ansonsten hätte ich ja auch gar nicht weg können! Ich unterschreibe also und habe nach der Tournee noch ein Jahr anhängen müssen. Was war ich nicht angefressen! Dabei hatte ich ja noch ein Glück – ein paar der Offiziere haben Karten wollen und waren ganz fußballverrückt. Außerdem hatte ich verhältnismäßig viel Geld, konnte mir alles leisten und habe meine Vorgesetzten fleißig eingeladen. Das hat mir einige Vergünstigungen eingebracht. Leider habe ich knapp nach Südamerika einen neuen Kommandanten bekommen. Den werde ich nie vergessen! Oberlieutnant Klein hat der geheißen. Ich bin recht leger zu ihm gekommen, da ist mir gleich ein „Können Sie keine Meldung machen?!“ entgegengekracht! Fußball hat ihm auch überhaupt nichts bedeutet, weil er ein 100%iger Militarist war, der erst in den 50er-Jahren aus der Kriegsgefangenschaft nachhause gekommen ist. Solche Trottel beim Militär habe ich gehasst! Auf alle Fälle habe ich es dann nicht gerade sehr schön dort gehabt. Ich habe dann meistens von Freitag auf Samstag Wache gehabt, konnte nicht schlafen, und am Samstag war das Match. Das hat er mir z’Fleiß gemacht! Irgendwann hat sich das dann aber aufgehört. Bei all meinen Dienst-Freistellungen hat er kapituliert. „Ich kann ja nichts machen! Das kommt ja von oberer Stelle! Und Sie sind ja nur Gefreiter geworden, weil Sie Fußball spielen!“ Er hat immer nach einem Fehler von mir gesucht, aber ich habe das bei meinem Gehalt alles deichseln können und einfach meine Kollegen in der Kaserne beauftragt, alles sauber zu halten undsoweiter. Vor dem Abrüsten hat er mich dann gefragt, ob ich mich nicht verpflichten will. Ich habe innerlich gelacht und mir das Angebot offiziell überlegt. Wenig später war ich dann zum Glück weg.

Hatten Sie in Ihrer Anfangszeit bei Rapid eigentlich ein Idol?
Den Probst eigentlich. Auch wenn er im Angriff gespielt hat – der war gutaussehend, war erfolgreich. Den habe ich richtig verehrt!

Ihr Spitzname war „Bubi“. Von wem bekamen Sie ihn verpasst und wie lange haben Sie ihn behalten?
Ja. Warum weiß ich bis heute nicht. (lacht) Auf einmal habe ich „Bubi“ geheißen. Das sagen sie heute noch zu mir.

In Ihrer zweiten Saison wurden Sie bereits Meister, in der dritten erreichten Sie das Semifinale im Europacup der Meister. Spielte Rapid damals über seine Verhältnisse oder wäre sogar noch mehr möglich gewesen?
Es waren damals ja nicht so viele Vereine wie heute! Damals haben wir Besiktas, Wismuth Aue und Malmö geschlagen und sind schon im Semifinale gestanden! Aber Rapid war schon vor meiner Zeit eine riesengroße Nummer in Europa! Gefürchtet haben wir uns nur vor den Tschechen, Ungarn und Jugoslawen. Gegen Franzosen haben wir überhaupt nie verloren! Vor den Deutschen haben wir damals auch überhaupt nicht gezittert. Die hatten damals ja noch keine Bundesliga, sondern noch ihre Regional-Ligen. Bei einer Schweden-Tournee haben wir zum Beispiel fast alle Spiele 7:0 oder 8:0 gewonnen. Wo gibt es das denn noch heute? Ein 4:0 gegen Malmö war das niedrigste Ergebnis.

Beim Rückspiel gegen Benfica gab es einen Spiel-Abbruch in der 89. Minute, obwohl zu diesem Zeitpunkt nichts mehr für Rapid drinnen war (man hätte drei Tore schießen müssen, Anm.). Was hat die Menschen so aufgebracht? Was hat sich damals im Prater-Stadion unter den 63.000 Menschen abgespielt?
Es hat ja alles schon beim Hinspiel in Lissabon begonnen. Wir hatten damals keinen Spitzen-Goalie. Der Huyer war gut, aber nicht überdrüber, für eine Spitzen-Mannschaft einfach zu schwach. Wir haben Partien verloren, die wir niemals verlieren hätten dürfen. So auch gegen Benfica. Wir haben von dem Aguas und seinen Kollegen ja drei Kopfball-Tore bekommen! Ein Spitzen-Tormann hätte die Flanken weggefaustet, aber der Huyer war dafür einfach zu klein. Für uns als Verteidiger war es nicht mehr möglich, die heranstürmenden Angreifer zu stoppen. Ich glaube jedenfalls, dass gegen Benfica mit einem Super-Goalie alles drinnen gewesen wäre. Aber wir haben trotzdem mitgehalten.
Noch was! Wir sind am Montag Richtung Lissabon geflogen und haben in Zürich eine Zwischenlandung gehabt. Auf einmal hat es geheißen, dass die Air France, mit der wir geflogen sind, streikt. Also haben wir in der Schweiz übernachtet. Am Dienstag konnten wir auch nicht fliegen. Erst am Mittwoch, also am Spieltag, ist in der Früh die Maschine bereit gewesen. Zu Mittag sind wir in Lissabon gelandet. Eigentlich hätte das Spiel auf Donnerstag verschoben werden sollen, weil man ein Recht hat, sich zumindest 24 Stunden zu akklimatisieren. Aber der Happel hat gesagt, dass wir wegen dem späten Spielbeginn doch wie geplant antreten werden. Wir sind vom Flughafen zum Hotel, haben geschlafen, gegessen, sind dann zum Fußballplatz gefahren. Die Vorbereitung war nicht optimal.
Und beim Rückspiel war da ein Elfer-Foul an Dienst. Wenn der Schiri den Elfer gibt, steht es 2:1 für uns und die Portugiesen sind trotzdem klar weiter. So sind dann ein paar Leute aufs Feld gelaufen und es hat automatisch einen Abbruch gegeben. Das war blöd vom Referee. Aber es war nicht bedrohlich.

1964, in der ersten Runde des Europacups der Meister, schossen Sie beim 3:0-Heimsieg gegen die Shamrock Rovers gleich zwei Freistoß-Tore. Ein besonderes Spiel für Sie, oder?
Eines der Tore war aus einer ziemlichen Entfernung und ein guter Schuss, aber der Tormann hat sich in Wirklichkeit angeschüttet. Nach den Rovers haben wir dann die Glasgow Rangers bekommen. In Schottland haben wir ganz gut mitgehalten (0:1 verloren, Anm.), aber in Wien haben wir dann keine Chance gehabt (0:2 verloren, Anm.).

In zwölf Saisonen schossen Sie neun Meisterschafts-Tore für Rapid, gleich vier davon in der Spielzeit 1961/62, in der Rapid nur Fünfter wurde. War der Abwehr-Chef damals zu offensiv?
(lacht) Nein, nein. Damals habe ich nur die Elfer schießen dürfen. Dass es in der Liga nicht zu mehr gereicht hat, lag – wie schon gesagt – vor allem an unserer Goalie-Schwäche.

Sie wurden als „Großmeister der Abseits-Falle“ bezeichnet, hatten ein hervorragendes Stellungsspiel und einen wuchtigen Schuss im Falle eines Vorstoßes. Können Sie sich selbst als Spieler charakterisieren?
Wie Du gesagt hast. Schnelligkeit und Kopfballstärke kann ich noch erwähnen. Ich habe halt wirklich gewusst, wo der Ball hin soll. Das kann man nicht lernen. Das muss in einem drinnen sein. Außerdem muss die Abstimmung mit den Außendeckern passen. Das ist heute mit der Viererkette auch noch so.

In Ihrer Zeit gab es noch keine Wechselspieler und Reservisten konnten nicht als Joker glänzen, sondern mussten sich bei den Trainings-Einheiten empfehlen. War das Training aufgrund dieser Situation besonders intensiv?
Das war irgendwie ungerecht und war sicher nicht angenehm, im Anzug auf dem Bankerl zu sitzen. Im Training haben aber immer alle geschaut, dass sie sich für das Spiel aufdrängen. Und von der Start-Elf haben manche Spieler bei Verletzungen, die während dem Match passiert sind, die Zähne richtig zusammenbeißen müssen, damit die Mannschaft nicht in Unterzahl weiterspielen hat müssen.

Ihr bester Freund war angeblich der legendäre Austria- und Vienna-Stürmer Horst Nemec. Hat Ihre Freundschaft darunter gelitten, dass Nemec immerhin neunmal gegen Rapid getroffen hat, wenn Walter Glechner am Platz gestanden hat?
Wir haben uns wirklich sehr gut verstanden. Wir haben schon als Jugend-Spieler einmal ein Zimmer geteilt, und so ist dann die Freundschaft entstanden. Wie er bei der Vienna gespielt hat, war er ja schon recht unbeweglich und dick und hat nicht mehr gegen uns getroffen. Zweimal hat er in einem Derby das entscheidende Tor gegen Rapid geschossen. Beim Hinausgehen hat er immer Absprache gehalten, dass wir uns gegenseitig nicht weh tun, der feige Kerl. (lacht) Aber beim Spiel ist er dann hineingestiegen und ich habe ihn zusammengeputzt, weil er das eine gesagt und das andere getan hat. Bei größeren Matches war der so nervös! Da hat er gezittert und war ein richtiges Nerverl.

Sie trafen Horst Nemec auch im Nationalteam, für das sie von 1960 bis 1968 35 Länderspiele absolvierten. Gibt es Spiele, an die Sie sich besonders gerne erinnern?
Das erste Spiel war gegen die Schotten. Dann habe ich bald das Siegestor gegen die Russen und den Yashin erzielt. Eine peinliche Niederlage war ein 1:4 bei den Schotten mit Spielabbruch – da haben wir gar nicht gut ausgeschaut. Und dann mein Beinbruch gegen die Ost-Deutschen. Das war aber mein Fehler, weil ich blöd hineingerutscht bin. Da war kein Foul, nix! Unglücklich war es. Wieder gespielt habe ich dann ungefähr ein halbes Jahr später.

Von 1965 bis 1970 waren Sie der zehnte Rapid-Kapitän der Vereins-Geschichte. Ihr Stellenwert innerhalb der Mannschaft muss enorm gewesen sein!
Dadurch, dass ich schon so lange bei der Rapid gespielt habe und einer der ältesten Spieler war, habe ich mir diese Vorrangstellung damals quasi verdient gehabt. Auch im Nationalteam war ich ein paar Mal Kapitän.

In der Saison 1970/71 wurden Sie als aktueller Kapitän von Trainer Gerdi Springer abgesetzt und zum Reservisten degradiert. Dabei waren Sie ja „erst“ 31 Jahre. Wie hat sich dieses unwürdige Verhalten damals abgespielt?
Der hat mich nicht wollen. Das hat alles angefangen, als er bei Sturm Graz Trainer war. Wir haben am Rapid-Platz gegen Sturm gespielt, und der Springer hat einen Ball, nachdem er ins Out gesprungen ist, aufgehoben. Er hat immer hineingeschrien: „Unser Ball! Unser Ball!“ Mir war dieser strenge Mann immer schon unsympathisch, also habe ich gesagt: „Gib’ mir den Ball her, Du glatzerter Aff’!“ Ein oder zwei Jahre später war er dann bei Rapid. Einerseits hat er sich das von damals wahrscheinlich gemerkt, andererseits wollte er wohl in der Mannschaft gleich den starken Mann markieren und hat ein paar Arrivierten die Macht genommen, damit sie ihn später nicht stanzen können. Dabei hat der keinen geraden Schuss machen können, hat vom Fußball in taktischer Hinsicht ja keine Ahnung gehabt! Er war ja Eishockey-Spieler. Das wäre so gewesen, wie wenn ich einen Eishockey-Verein trainiert hätte, obwohl ich gar nicht auf Schlittschuhen stehen kann. Mit mir sind der Flögel und der Fak auch abgeschoben worden.

Mit Rapid ging es damals dann auch bergab, nachdem die einstigen Stützen nicht mehr gebraucht worden sind. Hätten Sie alle nicht mehr Unterstützung vom Verein selbst gebraucht?
Ja, die haben uns damals im Stich gelassen, das kann man schon so sagen. Obwohl ich bei Rapid so schöne Zeiten verbracht habe – der Abschied war nicht sehr anständig.

Nach Rapid spielten Sie noch ein paar Jahre für Admira Wr. Neustadt und ab 1974 in Krems. Wie war diese Zeit für Sie? Und wie viele gute Glechner-Jahre hat Rapid verpasst?
Mindestens drei Jahre, vielleicht vier. Mit Admira Wr. Neustadt sind wir gleich Meister geworden und von der Regionalliga in die oberste Spielklasse aufgestiegen. Dort habe ich ganz gut gespielt, aber es waren nur ein paar sehr gute Spieler beim Verein, der Flögel, der Dirnberger, der Fröhlich und ich. Das war aber zu wenig, wir haben einfach keine Chance gehabt. Wir sind mit all diesen Durchschnitts-Kickern aufgestiegen, abgestiegen, dann wieder aufgestiegen, abgestiegen. Alleine der Platz, auf dem wir gespielt haben, war nicht tauglich für die Nationalliga. Da haben sich auch ein paar Herrschaften mit den Zuschauern vertan und falsch kalkuliert. Weil nach ein, zwei Niederlagen waren nicht mehr zehntausend oder gar mehr im Stadion, sondern nur mehr zweitausend.

Zurück zu Ihrem Abschied von Rapid nach über 20 Jahren im Verein! Wie lange hat es gedauert, bis Sie wieder Kontakt mit dem Verein selbst hatten?
Kontakt habe ich bis heute nicht wirklich. Da ist nie jemand auf mich zugekommen. Über den Andy Marek haben wir eine V.I.P.-Karte für’s Hanappi-Stadion bekommen. Seitdem gehe ich ab und zu auf’s Match, weil früher bin ich gar nicht hingegangen. Wenn ich ehrlich bin: Mir ist das jetzt wurscht – Rapid. Ich freue mich schon bei einem Sieg, aber eine richtige Herzensangelegenheit ist das nicht mehr!

Wie verfolgen Sie den Fußball von heute?
Via Fernsehen manchmal, das muss aber auch nicht sein. Wie ich gerade Lust habe. Am liebsten sind mir eigentlich die Zusammenfassungen. Sehr enttäuscht war ich kürzlich von Inter Mailand gegen den FC Barcelona. Von Weltklasse-Kick ist vorher gesprochen worden und dann war es ein grauslich taktischer Fußball! Wenn ich zu einem Match gehe, spaziere ich immer von der Hüttelbergstraße hinunter. Die vielen Leute, der Wirbel – das ist sicher auch das Alter, aber mir taugt das einfach nicht! Den Tor-Jubel trägt ohnehin der Wind zu mir hinauf. Gegen den HSV war ich im Stadion. Man hat mich gefragt, ob ich zu den drei Spielen der Europa League kommen will und ich habe abgesagt, aber trotzdem die Karten bekommen. Dann war ich halt dort, genauso wie beim Jubiläums-Spiel gegen Schalke. Gegen Red Bull Salzburg war ich auch im Stadion.

Was Sie damals verdient haben, ist nicht viel im Vergleich zu den heutigen Fußballer-Gagen. Waren Sie für damalige Verhältnisse trotzdem ein Spitzenverdiener?
Schon. Im Verein hat es damals einen Einser- und einen Zweier-Vertrag gegeben. Den „Zweier“ haben die National-Spieler bekommen. Außerdem hat der Binder gesagt, dass wir froh sein sollen, dass wir überhaupt bei Rapid spielen dürfen. Handgeld und solche Sachen hat es erst in den letzten Jahren gegeben. Aber gerade zu Beginn der Karriere haben wir nicht so an Geld gedacht. Wenn wir gegen die Austria gewonnen haben, haben wir sogar auf die Siegesprämie verzichtet, weil uns der Erfolg schon genug war! Man war bescheidener. Ein Auto hat man sich schon sehr gut leisten können. Manche haben sich ein Haus oder ein Espresso gekauft. Meine Mutter wollte, dass ich ein Wirtshaus kaufe und mit meinem Namen erfolgreich bin. Das war aber nie mein Streben! Ich habe damals über Rapid eine Anstellung im Ministerium bekommen. Dort habe ich nicht sehr viel verdient, aber ich hatte viel Freizeit, viele Urlaube. Es war alles nicht überdrüber, aber wir waren schon Spitzenverdiener in der damaligen Zeit. Wir haben ja quasi keine Steuern bezahlen müssen! Aber die schöne Zeit, die wir verbringen konnten, war wichtiger als das Geld.

Gibt’s einen Verteidiger - in den letzten zehn bis zwanzig Jahren -, der ganz Ihrem Geschmack entspricht?
Von uns gefällt mir der Soma – der ist sehr gut. International gefällt mir der Van Buyten von den Bayern. Wenn man sich die Bilder von früher anschaut, dann stehen da Welten dazwischen. Das ist ja so, als ob wir früher in Zeitlupe gespielt hätten! So als ob die Kameras von früher einen Fehler hätten! Manche Legenden reden noch immer davon, wie gut sie damals gespielt haben. Ein Spieler von heute muss sich ja denken, dass die deppert sind. Deswegen rede ich nicht darüber, dass bei uns irgendwas besser gewesen ist, weil da Welten dazwischen liegen. Alleine die Trainingsmöglichkeiten haben sich erheblich verbessert. Wenn es bei uns geregnet oder geschneit hat, haben wir entweder zum Auhof hinauslaufen können oder wir haben auf den Zuschauer-Rängen ein „Fangerl“ (bedeutet Abfangen, Anm.) gespielt. Außerdem war es verpönt, etwas beim Training zu trinken. Zu viert haben wir mit einem Liter Mineral auskommen müssen! Anstatt Gemüse und Teigwaren haben wir Rindssuppe und Steak gegessen. Das mit der Flüssigkeit war aber das Ärgste! Nach einem schweren Training in der Hitze hast gerade einmal ein Glaserl Mineral gehabt. Das war ein Wahnsinn! Die paar Tropfen Wasser haben wir bewacht wie einen Schatz. Der Robert Körner oder der Vytlacil haben uns immer angeschrien wegen der „Sauferei“. Aber wegen Wasser, und nicht Alkohol! Dabei braucht doch der Körper die Flüssigkeit. Die Italiener, Franzosen oder Spanier haben beim Mittagessen ein Glaserl Wein oder Bier getrunken. Bei uns war das verpönt. Dabei ist, wenn man es verträgt, ein Glaserl zum Mittagessen gescheiter als ein Cola, ein Fanta oder so ein süßes Klumpert.

Eine Abschluss-Frage: Was sagen Sie zum Rapid-Geist?
Das wurde uns von den alten, fanatischen Spielern eingeflößt. Für mich ist das nur Gerede. Mich als Profi hat das nie interessiert, weil ich ohnehin mein Bestes gegeben habe. Für die Legende sind die Rapid-Viertelstunde etcetera aber natürlich schöne Geschichten.

Interview vom 29.09.2009

                                   10 Fragen zum besseren Kennenlernen:

Lieblings-Elf aller Zeiten?
Das Real-Madrid-Team der 60er-Jahre mit Puskás, di Stéfano, Gento, Santamaria und all den anderen.

Das beeindruckendste Stadion, in dem Sie je gespielt haben?
Bernabeu.

Ihre größte Niederlage am Fußballplatz?
Ein 0:6 gegen die Austria (Saison 1969/70, Anm.). Das war eine Schande!

Rapid ist...
...eine Fußballmannschaft.

Kottan oder Columbo?
Columbo. Kottan habe ich nie geschaut.

Ihr liebster Platz außerhalb von Österreich?
Caorle (lacht).

Der beste Kicker, der je gegen Sie gespielt hat?
Dragoslav Sekularac (Königreich Jugoslawien, FK Roter Stern Belgrad, Anm.).

Eine Marotte?
Mein linker Fuß musste immer zuerst den Rasen betreten.

Welches Talent hätten Sie gerne, haben es aber nicht?
Skifahren.

Für Sie die größte Unsportlichkeit am Rasen?
Anspucken. Das ist immer wieder einmal passiert. Ich möchte an dieser Stelle aber keine Namen nennen, weil darunter auch sehr bekannte Ex-Fußballer sind.

Quelle: www.forza-rapid.at